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Design rückt in die Chefetage vor. Nicht nur in großen Unternehmen wächst das Bewusstsein für die Relevanz guter Gestaltung und Markenarbeit. Mit dem Stellenwert von Design steigt auch der Respekt gegenüber Kreativen. Sie werden zunehmend als Berater und Partner wahrgenommen, haben einen direkten Draht zu den Konzernlenkern und können sogar die Unternehmensstrategie beeinflussen.
„Besonders in großen Unternehmen werden Designprozesse immer vernetzter und komplexer“, sagt Heiko Derflinger, Geschäftsführer bei der Münchner Markenberatung Brandoffice. „Daher wächst das Bedürfnis nach Strategie- und Prozessberatung auch im Bereich Corporate Design. Zwei wichtige Aufgabenfelder, in denen wir als Designer heute Kompetenz beweisen müssen.“
Wahrend Designer immer mehr zu Partnern werden, verändert sich auch die Rolle der Auftraggeber. Sie sind gefordert, Input zu geben und mitzuarbeiten, werden immer häufiger direkt in den kreativen Prozess eingebunden. Dafür müssen beide Seiten ihre Berührungsängste überwinden und sich auf ihr Gegenüber einlassen. Dabei hilft, dass es immer mehr kleine Studios oder Freiberufler gibt, die den direkten Austausch mit dem Kunden pflegen.
Auch wenn Webdesigner immer noch Dienstleister sind, arbeiten Sie auf Augenhöhe mit dem Kunden.
„Ich bin ein Dienstleister der neuen Generation: flexibler und offener“ meint Moritz Dunkel, freiberuflicher Mediengestalter und Grafikdesigner in Köln. „Die klassische Etatdenke spielt bei mir keine Rolle. Entsprechend habe ich Kunden, die diese Flexibilität schätzen.“ Diesen Agenturen oder freien Kommunikationsdesignern steht eine neue Generation von Geschäftsführern und Marketingleitern gegenüber, die ihre Dienstleister ernst nehmen, den Wert von Co-Creation erkannt haben und schätzen. Sei es in strukturierten Design-Thinking-Workshops oder bei einem lockeren Abendessen: Kreatives Pingpong zwischen Gestaltern und ihren Kunden führt generell zu fruchtbareren Ergebnissen, als wenn man hinter geschlossenen Türen vor sich hin arbeitet.
Diese Entwicklung passt zu einer Gesellschaft, die kommunikativer und lockerer geworden ist – gerade was Geschäftsbeziehungen angeht. „Der Umgang ist persönlicher“, so der Mediendesigner Moritz Dunkel. „Man ist heute wesentlich schneller beim Du und gibt Einblick in sein Privatleben. Ich bin mit vielen meiner Kunden auf Facebook befreundet.“
Daraus ergeben sich allerdings auch neue, mitunter ungewohnte Situationen. Man muss abwägen, wie viel Nähe erwünscht und angebracht ist. Prescht man zu schnell vor, kann es leicht anbiedernd oder befremdlich wirken. Zudem kann zu große Nähe schaden, weil man zu viel verzeiht oder Dinge schneller persönlich nimmt.
Eins vorab: Designer sind und bleiben Dienstleister – auch wenn ihre Beratungskompetenz gefragter denn je ist und sie mit den Kunden auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Sie werden engagiert, um diesen einen Vorteil zu verschaffen und Nutzen zu bringen; in den meisten Fällen geht es darum, mehr von etwas zu verkaufen. Die eigene Rolle kann sich aber zwischen den beiden Polen Partner und rein ausführender Kreativer bewegen. Welche Position man einnehmen möchte, muss man für sich selbst vorab definieren – nicht bloß zu Beginn des Berufslebens, sondern immer wieder.
Eine klare Positionierung für Mediendesigner kann bei der Handschrift eines Layouts beginnen.
„Nur wer seine innere Haltung reflektiert, kann sie bewusst nach außen kommunizieren und die Aufträge an Land ziehen, die er haben will“, sagt Inge Sakarl, die als Coach unter anderem Seminare zum Thema „Soziale Kompetenz“ gibt. Nicht alle Designer wollen unbedingt als Partner wahrgenommen werden und strategische Verantwortung übernehmen – sie macht die kreative Umsetzung glücklich. „Jeder Prozess birgt seine Herausforderung und ist in sich anspruchsvoll. Man muss ihn einfach kennen, mögen und können“, ist Sakarl überzeugt.
Eine klare Positionierung hilft dabei, Missverständnisse von vornherein zu vermeiden und das Verhältnis zum Kunden auf die richtige Basis zu stellen. Sie beginnt bei Webauftritt (Welche Arbeiten zeige ich?) und Visitenkarte (Als was bezeichne ich mich?), drückt sich im äußeren Erscheinungsbild (Anzug/Kostüm oder Jeans), im Auftreten und der Präsentation vor dem Kunden aus. All dies sollte man im Vorfeld bewusst planen und sich dann möglichst authentisch verhalten.
Das berufliche Selbstverständnis ist allerdings nicht in Stein gemeißelt und kann sich mit zunehmender Erfahrung und Kompetenz verändern. Überdies unterscheiden sich die Anforderungen von Projekt zu Projekt. So ist ein mehrstufiger, iterativer Prozess mit Workshops und Zwischenpräsentationen bei der Entwicklung eines Corporate Designs durchaus angebracht – bei einer Broschüre aber over the top und unnötig zeitraubend.
„Soziale Kompetenz bedeutet, zu erkennen, was wann angebracht ist“, sagt Grafikdesigner Moritz Dunkel. Außerdem braucht es eine gesunde Selbsteinschätzung: Den meisten Berufsanfängern fehlt es ganz schlicht an Erfahrung, um in einem tiefgehenden Design-Thinking-Prozess eine neue Corporate Identity zu entwickeln. Passt die Selbstdarstellung zu dem Angebot und ist der richtige Kunde auf einen aufmerksam geworden, dann kann man zur nächsten Etappe übergehen: dem Erstgespräch und Briefing.
Bei Geschäftsbeziehungen zwischen Designer und seinen Kunden gelten dieselben Regeln wie bei anderen Begegnungen auch: Beim ersten Date redet man nicht nur über sich, sondern hört dem Gegenüber zu und stellt Fragen. Genauso sollte es auch beim Erstgespräch mit einem (potenziellen) Auftraggeber sein. Man darf ihn nicht gleich mit Mappe, Präsentation und gestalterischen Fachbegriffen überfallen, sondern sollte sich behutsam an die Problemstellung herantasten.
Die eigentliche Aufgabe liegt nämlich nicht immer da, wo der Kunde sie vermutet. „Die große Herausforderung ist herauszufinden, ob es eine Hidden Agenda gibt“, erklärt Christian Büning, Präsident des Berufsverbands der Kommunikationsdesigner (BDG) und selbstständiger Designer. „Will der Kunde einen konkreten Auftrag vergeben, etwa für ein Plakat, braucht er vielleicht in Wirklichkeit ein neues Kommunikationskonzept.“
Um solche versteckten Anforderungen oder Vorlieben zu erkennen, ist ein persönliches Treffen essenziell. Von unpersönlichen Pitches, in denen Agenturen Briefings überreicht werden, ohne dass Rückfragen möglich sind, raten Designprofis einstimmig ab. „Erfreulicherweise gibt es hier ein Umdenken. Pitchteilnehmer haben zunehmend die Chance, einzelne Punkte genauer zu klären und fragen nach einer Entwurfsvergütung“, sagt Büning.
Im Zuge eines Briefings muss sichergestellt werden, dass alle Inhalte richtig verstanden wurden. Oftmals ist das nicht der Fall, sodass der Dienstleister weinen muss.
Auch wenn es sich nicht um einen Pitch handelt, sind die Briefings von Kunden oft schwammig und ungenau, wenn nicht sogar unverständlich. »Neun von zehn Briefings sind schlecht«, so Moritz Dunkel, freiberuflicher Designer aus Köln. „Aber das ist nicht schlimm, solange man nachhaken kann und der Kunde mitmacht.“ Manchmal hilft es schon, die Aufgabenstellung dem Kunden gegenüber in eigenen Worten zu wiederholen, um auf Ungereimtheiten zu stoßen und zusätzliche Informationen zu bekommen, rät Dunkel.
Folgende Punkte muss ein Briefing enthalten:
„Jede Stunde, die wir ins Briefing stecken, sparen wir nachher mit dem Faktor 5 bei der Entwicklung“, so Benedikt Holappels, Geschäftsführer von GGH Lowe in Hamburg. „Viele Kunden haben keine Zeit, richtig zu briefen, und sind eventuell genervt, wenn wir viel nachfragen. Aber wir machen ihnen dann klar, dass es wesentlich effizienter und effektiver ist, wenn wir von Anfang an wissen, was Sache ist.“
Einen festen Fragenkatalog, der auf jedes Projekt passt, gibt es nicht. Hier sind Einfühlungsvermögen und Design Thinking gefragt. „Wir motivieren Designer, sich stärker mit den Wünschen ihres Auftraggebers zu beschäftigen und sich empathisch in die Gemengelage des Unternehmens hineinzuversetzen“, erklärt Ulrich Weinberg, Leiter des Hasso Plattner lnstituts an der Universitär Potsdam. Die School of Design Thinking, wie das Institut sich auch nennt, bietet neben dem Studium auch Open Courses für Unternehmen und Designagenturen an.
Das Erstgespräch ermöglicht es auszuloten, wie viel Designverständnis der Auftraggeber mitbringt. Das ist im weiteren Prozess sinnvoll, etwa bei der Präsentation von Entwürfen. „Häufig muss man erst mal Begriffe klären – wie beispielsweise den Unterschied zwischen Corporate Design und Corporate Identity“, sagt Kommunikationsdesigner Moritz Dunkel. „Das ist notwendig, um eine gemeinsame Arbeitsgrundlage zu schaffen. Dabei sollte man aber behutsam vorgehen und den Kunden nicht von oben herab belehren. Ich positioniere mich von Anfang an als Helfer, den man alles fragen kann“.
Bei größeren Aufträgen wie einem Corporate Design sind Workshops ein gutes Mittel, um ein gemeinsames Verständnis der Aufgabenstellung zu erarbeiten und vielleicht auch schon erste Ideen zu generieren. Dazu holt man am besten Entscheider und Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen an einen Tisch. Das können auch kreative Einzelkämpfer ohne Agenturapparat im Rücken. Es müssen nicht unbedingt ganztägige, moderierte Workshops mit ausgeklügelten Methoden sein. Man kann den Auftraggeber etwa bitten, Beispiele dafür mitzubringen, was er für gelungene Kommunikation hält.
„Daran kann man schon viel ablesen und eventuell diskutieren“, sagt Christian Büning. Ist der Chef nicht bereit, sich zu beteiligen, kann man ihn oft mit dem Argument gewinnen, dass Strategiefragen nicht vom Marketingleiter allein getroffen werden sollten. Die meisten Geschäftsführer schätzen es, wenn der Designer Interesse zeigt und sie in den Prozess einbezieht. Die Meetings in der Briefingphase gehen oft fließend in Ideation-Workshops über, die im kreativen Prozess stattfinden.
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